A. Baum u.a. (Hrsg.): Julie Bondeli

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Titel
Julie Bondeli. Briefe


Herausgeber
Baum, Angelica; Christensen, Birgit
Erschienen
Zürich 2012: Chronos Verlag
Anzahl Seiten
1600 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Katrin Keller, Thomas-Mann-Archiv, ETH-Bibliothek

Erstmals liegt mit der von Angelica Baum und Birgit Christensen herausgegebenen vierbändigen Briefedition eine kritische Gesamtausgabe der überlieferten Briefe und Texte der Berner Intellektuellen und Salonnière Julie Bondeli (1732 –1778) vor. Das «weibliche Genie» tauschte sich mit Mitgliedern der europäischen Gelehrtenrepublik über philosophische, literarische, ästhetische, theologische und auch politische Themen aus. Unter anderen stand Bondeli mit Grössen wie Christoph Martin Wieland, Jean-Jacques Rousseau und Johann Kaspar Lavater in brieflichem Austausch und traf sie auch persönlich in Gesellschaften und Salons. Über Bern hinaus bekannt wurde Bondeli, die sich ironisch als «Platon en jupe» (Brief an Johann Georg Zimmermann, 14.10.1766) charakterisierte, etwa mit ihrer Reflexion zu Rousseaus Nouvelle Héloise und dessen Erziehungsroman Emile. Aufgrund ihrer intellektuellen Kapazität wurde sie immer wieder von gelehrten Freunden zur Kritik von Texten beigezogen. Trotz ihrer Fähigkeiten und ihres Status waren der aufgeklärten Denkerin jedoch gesellschaftliche Grenzen als Frau gesetzt; die Zwänge ihrer Zeit analysierte und kritisierte Bondeli in ihren Briefen, ohne sie überwinden zu wollen oder zu können – so suchte sie beispielsweise nie die Öffentlichkeit über eine Buchpublikation.

In der vorliegenden Gesamtausgabe sind primär Briefe von Bondeli enthalten; die an sie adressierten Gegenkorrespondenzen konnten, abgesehen von wenigen Ausnahmen, trotz intensiven Recherchen nicht aufgefunden werden. Auch die überlieferten Korrespondenzen gelten als sehr lückenhaft. Die umfangreichsten überlieferten Briefwechsel sind diejenigen mit dem Brugger Arzt Johann Georg Zimmermann, dem Zürcher Theologen Leonhard Usteri und der deutschen Schriftstellerin Marie Sophie La Roche. Leider gelten gerade die langjährigen Briefwechsel mit engsten Freundinnen und Freunden (u.a. Marianne Fels, Salome von Wattenwyl, Vincenz Bernhard Tscharner, Marie-Frédérique-Anne de Sandoz) insgesamt als verschollen, weshalb gewisse Lebensabschnitte und Themen kaum dokumentiert sind. Das überlieferte und hier präsentierte Quellenkorpus stellt folglich nur einen kleinen Ausschnitt der Gesamtkorrespondenz Julie Bondelis dar. Die Rekonstruktion von Leben und Wirken Bondelis hat unter Berücksichtigung dieser Leerstellen zu erfolgen.

Ediert wurden 419 Briefe sowie 12 ausgewählte Dokumente über Bondeli aus dem Zeitraum 1759 bis 1778, die, chronologisch und je mit einem Anmerkungsapparat versehen, in den Bänden 1 – 3 präsentiert werden. In ihrer Einführung (Bd. 1, S. 9 – 66) zeichnet Birgit Christensen Julie Bondelis Biografie anhand der überlieferten Briefe nach und vertieft einige in den Korrespondenzen thematisierte Aspekte – etwa die Rolle und das Selbstverständnis der (gebildeten) Frau in der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts oder Gesundheit und Krankheit. Mit einem kurzen Exkurs zum Bern des Ancien Régime umreisst Christensen den politisch-gesellschaftlichen Kontext, in den das Leben der Salonnière zu verorten ist. Abgerundet wird die Einführung mit einem Blick auf die Beurteilung Bondelis durch die Nachwelt und der Beschreibung der Quellensituation.

Präsentiert wird jeder Brief in zwei Teilen – einer übersichtlichen Textdarstellung (Brieflaufnummer, Überschrift, Datum, Brieftext, Unterschrift und Schlussformel, Adresse) und einem Anmerkungsteil. Der Anmerkungsteil enthält Informationen zur Quelle (Original, Abschrift, Drucknachweis), textkritische Anmerkungen sowie weiterführende und erläuternde Angaben zu Bondeli und ihrer Bedeutung für die Aufklärung in der Schweiz und die europäische Gelehrtenrepublik.

Band 4 enthält Angaben zu den Editionsprinzipien, zwei Briefverzeichnisse (ein chronologisches und eines nach Adressaten und Adressatinnen), ein Quellen- und Literaturverzeichnis zu Julie Bondeli, ein Verzeichnis der in den Briefen thematisierten Literatur sowie ein umfangreiches kommentiertes Personenverzeichnis. In der Mitte der Bände 1–3 findet sich je ein Bildteil.

Eine kleine Kritik gilt der Benutzerführung: Eine Angabe zur zeitlichen Erstreckung der pro Band enthaltenen Briefe sowie ein zeitlicher Hinweis als Kopfzeile im Quellenteil wären für einen gezielteren Zugang zu den Dokumenten wünschenswert gewesen. Eine Kopfzeile in Band 4 zur Art des jeweiligen Verzeichnisses würde die Orientierung ebenfalls erleichtern. Ungeachtet dieses kleinen Mangels und der Tatsache der sehr lückenhaften Überlieferungssituation leistet die vorliegende Briefedition einen wichtigen und schönen Beitrag zur Geschichte der Aufklärung, zur Geschichte von Kultur und Geselligkeit in Bern sowie zur Geschlechtergeschichte.

Zitierweise:
Katrin Keller: Rezension zu: Baum, Angelica; Christensen, Birgit (Hrsg.): Julie Bondeli. Briefe. Zürich: Chronos Verlag 2012. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 78 Nr. 1, 2016, S. 106-108.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 78 Nr. 1, 2016, S. 106-108.

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